Omega-3 Fettsäuren: Meta-Analysen der immer gleichen Interventionsstudien – doch jetzt bringt REDUCE-IT wohl neuen Schwung

Prof. Dr. C. von Schacky, Präventive Kardiologie, Med I, Universität München und Omegametrix, Martinsried

September 2018 – Auch in diesem Jahr wurden die großen Interventionsstudien zu klinischen Endpunkten mit den Omega-3 Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) im kardiovaskulären Bereich wieder Meta-Analysen unterzogen, diesmal von einer „Omega-3 Treatment Trialists’ Collaboration“ und von der Cochrane Collaboration (1, 2). Wie in früheren Meta-Analysen wurde in den meta-analysierten Interventionsstudien insgesamt kein positiver Effekt gesehen (z. B. 3, 4), obwohl es auch einzelne positive Meta-Analysen gab (z. B. 5, 6). Auch die im August publizierte ASCEND-Studie zeigte ebenfalls keinen positiven Effekt von EPA und DHA bei Patienten mit Diabetes (7). Viele Kardiologen glauben deshalb, dass Omega-3 Fettsäuren in der kardiovaskulären Prävention unwirksam sind, und/oder überhaupt keinen Platz in der Kardiologie haben. Das könnte sich durch die in den letzten Tagen durchgesickerten ersten Ergebnisse der REDUCE-IT-Studie aber schnell wieder ändern. Mit Spannung wird die Vorstellung der Daten auf dem AHA-Kongress im November erwartet – eine Senkung des kardiovaskulären Risikos durch Ethyl-Eicosapentaensäure, ein Derivat dieser Omega-3 Fettsäure, soll bei mit Statinen behandelten Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko eine Risikoreduktion um 25 Prozent erreicht haben.

Die American Heart Association hat kürzlich „Scientific Advisories” publiziert, in denen EPA und DHA als Supplemente für die Indikationen sekundäre Prävention und Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejection Fraction empfohlen wurden (beides IIa Empfehlungen), und EPA und DHA in Fisch zur Prävention von „Herzinsuffizienz, koronarer Herzerkrankung, ischämischem Schlaganfall und plötzlichem Herztod“ empfohlen wurden (8, 9). Auch die Europäische Kardiologengesellschaft sieht in der Gabe von EPA und DHA in Fisch einen Baustein der kardiovaskulären Prävention (10). Nach Auskunft von Prof. S. Störk, Deutsches Zentrum für Herzinsuffizienz in Würzburg, ist geplant, die Gabe von EPA und DHA in die Nationale Versorgungsleitlinie Herzinsuffizienz aufzunehmen.

Laut Leitlinien haben die Omega-3 Fettsäuren EPA und DHA also einen festen Platz in der Kardiologie. Die Gabe von bis zu 5 g EPA und DHA pro Tag ist laut European Food Safety Authority sicher und verträglich, und zwar sowohl in Fisch als auch als Supplement (11). Dem Nutzen von EPA und DHA steht daher kein Risiko gegenüber, die übliche Abwägung kann entfallen, weshalb der Rat zu EPA und DHA außerordentlich leicht fallen sollte. Zudem fallen weder die Kosten von Fisch noch die der meisten Supplemente ins Budget; das Kostenargument entfällt also auch. Trotzdem werden EPA und DHA von vielen Kardiologen nicht eingesetzt. Die Situation illustriert, welche Überzeugungskraft einfache Botschaften aus Meta-Analysen großer Interventionsstudien haben, und, wichtiger noch, dass Meta-Analysen wissenschaftliches Denken nicht ersetzen.

Wissenschaft ist ein Puzzle, in dem man bemüht ist, aus verschiedenen Steinen ein stimmiges Bild zusammenzusetzen. Puzzlesteine sind, neben Meta-Analysen, Daten zu Epidemiologie, Wirkmechanismen, kleineren Interventionsstudien zu Surrogat- und Intermediär-Parametern und weitere Aspekte der wissenschaftlichen Datengewinnung. Diese Studien hatten in der Regel positive Ergebnisse für EPA und DHA (z.B. 6, 12, 13, 14). Ein großer methodischer Schritt vorwärts war hier die standardisierte Bestimmung von Spiegeln von EPA und DHA in Erythrozyten (HS-Omega-3 Index®), die in LURIC, Framingham, Women’s Health und anderen anerkannten großen epidemiologischen Studien klar und übereinstimmend zeigten, dass ein hoher Spiegel von EPA und DHA mit der anderthalbfachen Lebenserwartung einhergeht, weniger kardiovaskulären Ereignissen, und weniger „major adverse cardiac events“; alles im Vergleich mit niedrigen Spiegeln (15, 16, 17). Bemerkenswert war die enge Korrelation zwischen klinischen Ereignissen und Spiegeln von EPA und DHA, während Zufuhr von EPA und DHA und ihre Spiegel schlecht korrelierten (z. B. 13, 18). Biomarker-Daten haben auch entscheidend dazu beigetragen, zu erkennen, warum viele große Interventionsstudien mit EPA und DHA zu kardiovaskulären Endpunkten kein positives Ergebnis haben konnten (19, 20):

• Probleme der Bioverfügbarkeit: Die Aufnahme von EPA und DHA erfordert eine funktionierende Fettverdauung. In fast allen großen Interventionsstudien sollten die Teilnehmer eine Kapsel mit 1 g EPA und DHA zum Frühstück einnehmen. Regelhaft ist die Fettmenge im Frühstück zu klein um die Fettverdauung zu aktivieren, EPA und DHA werden so nicht bioverfügbar (21).

• Keine Erfassung der Spiegel zu Beginn oder während der Studie: Als würde man eine Interventionsstudie mit Blutdrucksenkern ohne Messung des Blutdrucks durchführen, wurden Teilnehmer für die allermeisten Interventionsstudien mit EPA und DHA ohne Erfassung der Ausgangsspiegel rekrutiert, ebenso unterblieben Messungen erreichter Spiegel (19, 20). Wenn gemessen, korrelierten in Interventionsstudien klinische Effekte mit Spiegeln stärker als mit der Gabe von EPA und DHA oder Placebo (z. B. 13). Aufgrund der großen inter-individuellen Variabilität der Aufnahme von EPA und DHA kam es in Interventionsstudien zu einer Überlappung der Spiegel z. B. bei 80 Prozent der Teilnehmer (22) – wie soll dann ein Effekt der Intervention erkennbar werden? Wie bei Blutzucker oder Blutdruck sind bei EPA und DHA Spiegel-gesteuerte Interventionsstudien sinnvoll.

• Niedrige Dosis: Durch hohe Dosierungen von EPA und DHA kann das Überlappen der Spiegel verringert werden (19, 20). REDUCE-IT ist dafür ein Beispiel. Die in vielen Studien übliche Gabe von 1 g / Tag EPA und DHA war dazu zu niedrig, und auch zu niedrig zum Erreichen des Zielbereiches von 8 – 11% für den HS-Omega-3 Index, wie nachträglich in der GISSI-Herzinsuffizienz-Studie nachgewiesen wurde (23).

Auch dieses Jahr wurden alle großen Interventionsstudien ohne spezifische Methodenkritik in die Meta-Analyse aufgenommen, was in der Summe positive Ergebnisse verhinderte (1,2). Allerdings wurde in den Studien, die – eher zufällig – die angesprochenen methodischen Probleme umgingen, ein positives Ergebnis gesehen:  wenn fettreicher Fisch als Intervention verwendet wurde (gute Bioverfügbarkeit, 24), wenn eine Population mit homogen niedrigen Ausgangsspiegeln rekrutiert wurde, wie bei Herzinsuffizienz (23,25) oder wenn eine höhere Dosis verwendet wurde (1,8 g/Tag, 26). Methodisch adäquate große Interventionsstudien zeigen die Wirksamkeit von EPA und DHA in der Kardiologie: bei Herzinsuffizienz mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion, nach Herzinfarkt und bei Patienten mit Hyperlipidämie – was sich in den Empfehlungen der Scientific Advisories der American Heart Association spiegelt (8, 9).

Vergessen wird in der Diskussion, dass auch ein kardiologischer Patient neben dem Herz noch andere Organe hat, die von der Gabe von EPA und DHA profitieren: dazu gehören Gehirn, Muskel, Leber und andere. Unsere Daten zeigen, dass Hochbetagte ohne Demenz Spiegel von EPA und DHA im Zielbereich von 8 – 11% aufweisen (27).

Wie beim Blutdruck oder Blutzucker sollte eine Therapie mit EPA und DHA von Messungen des Ausgangswertes und der erreichten Werte geführt sein, da sie so effektiver und sicherer ist. Das ergibt logisch aus dem hier diskutierten Wissensstand. Als Methode zur Messung der Spiegel von EPA und DHA hat sich der HS-Omega-3 Index etabliert, da nur diese analytische Methode strikt standardisiert, validiert, und mit > 250 Publikationen belegt ist.

Literatur

1. Aung T, Halsey J, Kromhout D, et al; Omega-3 Treatment Trialists’ Collaboration. Associations of Omega-3 Fatty Acid Supplement Use With Cardiovascular Disease Risks: Meta-analysis of 10 Trials Involving 77 917 Individuals. JAMA Cardiol. 2018;3:225-34.

2. Abdelhamid AS, Martin N, Bridges C, et al. Polyunsaturated fatty acids for the primary and secondary prevention of cardiovascular disease. Cochrane Database Syst Rev. 2018 Jul 18;7:CD012345

3. Kotwal S, Jun M, Sullivan D, Perkovic V, Neal B. Omega 3 Fatty acids and cardiovascular outcomes: systematic review and meta-analysis. Circ Cardiovasc Qual Outcomes. 2012;5:808-18

4. Rizos EC, Ntzani EE, Bika E, Kostapanos MS, Elisaf MS. Association between omega-3 fatty acid supplementation and risk of major cardiovascular disease events: a systematic review and meta-analysis. JAMA. 2012;308:1024-33

5. Maki KC, Palacios OM, Bell M, Toth PP. Use of supplemental long-chain omega-3 fatty acids and risk for cardiac death: An updated meta-analysis and review of research gaps. J Clin Lipidol. 2017;11:1152-60

6. Chowdhury R, Warnakula S, Kunutsor S, et al. Association of dietary, circulating, and supplement fatty acids with coronary risk: a systematic review and meta-analysis. Ann Intern Med. 2014;160:398-406.

7. The ASCEND Study Collaborative Group. Effects of n-3 supplements in diabetes mellitus. N Engl J Med 2018; e-pub Aug 28, DOI: 10.1056/NEJMoa1804989

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11. EFSA Journal 2012;10(7):2815

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