FH-Diagnostik und Therapie

FH-Diagnostik

Die Diagnostik der familiären Hypercholesterinämie erfolgt anhand der Klinik, klassischer Laborbefunde und mit molekulargenetischen Methoden. 

Eine FH gilt bei Vorliegen von mindestens zwei der folgenden Merkmale als wahrscheinlich:

  • LDL-Cholesterin >190 mg/dl
  • Frühzeitiger Infarkt/frühzeitiges kardiovaskuläres Ereignis beim Patienten selbst
  • Positive Familienanamnese für Hypercholesterinämie und/oder frühe koronare Herz-Kreislauf-Erkrankung

Der FH zugrunde liegt eine Störung im Stoffwechsel des LDL-Cholesterins. Diese ist am häufigsten durch eine Mutation im Gen für den LDL-Rezeptor bedingt. Sie verursacht eine Verminderung oder das völlige Fehlen funktionstüchtiger LDL-Rezeptoren auf der Zelloberfläche und dadurch eine Erhöhung der LDL-Konzentration im Blut. Bisher sind mehr als 1700 Mutationen im LDL-Rezeptor bekannt. In selteneren Fällen liegt eine Mutation im Apolipoprotein B, dem wesentlichen Liganden des LDL-Rezeptors, oder in der PCSK9 (Proprotein convertasesubtilisin/kexin type 9) vor. Die PCSK9 ist als Protease am zellulären Abbau des LDL-Rezeptors beteiligt. Bei erhöhter Aktivität werden mehr LDL-Rezeptoren abgebaut und die Konzentration des LDL-Cholesterins steigt an

Nur aufgrund der Lipidbefunde wird die Diagnose FH in der allgemeinen Bevölkerung zu häufig gestellt. Nur etwa ein Zehntel aller Patienten mit isolierter Erhöhung des LDL-C (Typ IIa Hyperlipoproteinämie) haben tatsächlich eine FH. Differentialdiagnose ist vor allem die familiär kombinierten Hyperlipoproteinämie (FKHL). Andererseits wird innerhalb der betroffenen Familien die Diagnose FH zu selten gestellt, da andere genetische und Umwelteinflüsse bei Merkmalsträgern den Rezeptordefekt partiell kompensieren können und dann „normale“ Cholesterinkonzentrationen gefunden werden. In solchen Fällen hat der Nachweis bekannter Mutationen eine besondere Bedeutung.

Neben der Gendosis beeinflußt auch die Art des Rezeptordefekts die Ausprägung der Hypercholesterinämie. Schwere Defekte sind gekennzeichnet durch das völlige Fehlen des Rezeptorproteins, während bei leichteren Defekten noch eine vergleichsweise hohe Restaktivität des mutierten LDL-Rezeptors nachgewiesen werden kann. Vor allem bei heterozygot Erkrankten hängt der klinische Ausprägungsgrad stark von weiteren genetischen und Umwelteinflüssen ab.

Folgende Argumente sprechen für die Einleitung einer molekularen Diagnostik bei Verdacht auf ADH:

  • Nach Identifizierung des genetischen Defekts in einer Familie können Mutationsträger unter den Angehörigen identifiziert werden. Insbesondere betroffene Kinder haben häufig ein niedriges LDL-C, so dass die Diagnose ohne molekulargenetische Untersuchung übersehen wird.
  • Bei Patienten mit gesicherter ADH wird das Risiko für Koronarkrankheit bei Anwendung üblicher Risiko-Algorithmen (PROCAM, Framingham, SCORE) deutlich unterschätzt.
  • Die Detektion der Erkrankung im Kindes- und Jugendalter ermöglicht eine rechtzeitige Therapie.
  • Das Wissen um die Diagnose steigert erwiesenermaßen die Therapietreue des Patienten.
  • Die Kenntnis des molekularen Defekts erlaubt eine Risikostratifizierung und individuelle Anpassung der Therapie.

Therapie

Die Standardtherapie bei erhöhten LDL-Cholesterin-Werten ist eine Behandlung mit Statinen zur Lipidsenkung. Diese ist bei FH zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beginnen. Als Zielwert gilt für Erwachsene mit FH eine LDL-C-Konzentration von <100 mg/dl (2,6 mmol/L), bei vorhandener Artherosklerose-Manifestation sogar <70 mg/dl (1,8 mmol/L). Sind diese Zielwerte nicht zu erreichen, so soll eine Reduktion des LDL-C-Wertes um mindestens 50% unter Einsatz der höchstmöglichen verträglichen, zugelassenen Statindosis erfolgen. Für Kinder nach dem 10. Lebensjahr wird ein Zielwert < 135 mg/dl vorgeschlagen. Dieser wird jedoch aufgrund der Studienlage und mangelnder Evidenz diskutiert. Für Kinder vor dem 10. Lebensjahr stehen nicht medikamentöse und diätetische Maßnahmen im Vodergrund.

Heterozygote FH-Patienten sprechen in der Regel gut auf Pharmakotherapie mit Statinen an. Sie senken das LDL-C, indem die Synthese von funktionsfähigen LDL-Rezeptoren, ausgehend vom gesunden Allel, gesteigert wird. Falls Statine nicht ausreichen, werden weitere Medikamente wie der Anionenaustauscher Colesevelam oder der Cholesterinresorptionshemmer Ezetimib hinzugefügt. Bei sehr hohem LDL-C, ungenügendem Ansprechen auf eine medikamentöse Therapie und Nachweis arteriosklerotischer Gefäßveränderungen kommt die LDL-Apherese zur Anwendung, welche zu einer Absenkung des LDL-C und des Lp(a) um mehr als 50% führt.

In Einzelfällen wirken Statine auch bei homozygoten Patienten, weil noch eine gewisse Restaktivität der LDL-Rezeptoren vorhanden sein kann. Die in diesen Fällen erzielten Absenkungen des LDL-C reichen aber meist nicht aus, so dass meist zusätzlich eine LDL-Apherese erforderlich wird. Auch sind vereinzelt Lebertransplantationen durchgeführt worden; mit der Spenderleber werden funktionierende LDL-Rezeptoren zur Verfügung gestellt.

Mittelfristig wird es zu einer Verbesserung auch der konservativen Behandlungsoptionen bei FH kommen (Antisense-Oligonukleotide, Antikörper oder Antagonisten der PCSK9, Hemmstoffe des hepatischen Mikrosomalen Transferpoteins, MTP). Mit diesen neuen Therapeutika, die zusätzlich zu der bewährten Therapie mit Statinen eingesetzt werden, wird es möglich sein, das LDL-C zumindest bei heterozygoter ADH weitgehend zu normalisieren und damit wahrscheinlich die Prognose der Patienten derjenigen der gesunden Normalbevölkerung anzunähern.

Autor: Prof. Winfried März

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