Luft nach oben: Suboptimale Lipidbehandlung bei Herzinfarkt-Patienten trotz verbesserter Cholesterinwerte

Seit Veröffentlichung der aktualisierten Dyslipidämie-Leitlinien im Jahr 2019 hat sich das Erreichen des Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C)-Ziels bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom verbessert. Dennoch kann das Lipidmanagement bei diesen Patienten noch optimiert werden, wie Prof. Ulrich Laufs vom Universitätsklinikum Leipzig und seine europäischen Kollegen des ACS EuroPath IV-Projekts herausgefunden haben.

Nach einem Herzinfarkt haben Patienten ein sehr hohes Risiko zu sterben oder weitere kardiovaskuläre Ereignisse zu erleiden. Eine bessere und rechtzeitige Behandlung von Risikofaktoren wie dem LDL-C könnte dem entgegenwirken. 2019 haben die Europäische Gesellschaft für Kardiologie und die Europäische Gesellschaft für Atherosklerose ihre Leitlinien für eine lipidsenkende Therapie bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS) aktualisiert. Die neuen Empfehlungen beruhen auf Studienergebnissen, die zeigen, dass die Zugabe von Ezetimib oder monoklonalen PCSK9-Antikörpern zur Statintherapie das Risiko für atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen weiter reduziert. In den aktualisierten Leitlinien wurden die empfohlenen LDL-C-Ziele für Patienten mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko von 70 mg/dL (1,8 mmol/L) auf 55 mg/dL (1,4 mmol/L) gesenkt.

Prof. Ulrich Laufs und seine Kollegen des ACS EuroPath IV-Projekts haben eine Online-Befragung unter Kardiologen in sechs europäischen Ländern durchgeführt, um das Management von ACS-Patienten vor und nach der Aktualisierung der Leitlinien zu vergleichen. Dabei wurden Daten von insgesamt 2.650 ACS-Patienten zur Medikation und zum Lipidprofil gesammelt und mit den Daten von 2.650 Patienten verglichen, die an der ACS EuroPath I-Erhebung im Jahr 2018 teilgenommen hatten.

Die Lipid-Tests wurden 2022 früher als 2018 und bei 90 Prozent der Patienten durchgeführt. Im Laufe der Zeit wurde eine Zunahme der Tests auf Nicht-HDL-C, Lipoprotein(a) und ApoB beobachtet. Mehr als 90 Prozent der Patienten erhielten bei ihrer Entlassung eine lipidsenkende Therapie. 2022 erhielten mehr Patienten eine Kombinationstherapie aus Statin und Ezetimib als 2018 (34 Prozent gegenüber 13 Prozent). Die LDL-C-Werte waren 2022 im Vergleich zu 2018 bei der Aufnahme sowie beim ersten, zweiten und dritten Nachuntersuchungstermin nach der Entlassung niedriger. Mehr Patienten erreichten 2022 im Vergleich zu 2018 bei der ersten Nachuntersuchung die Ziele für das Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C). „Die Fortschritte bei der Erreichung der LDL-C-Ziele deuten darauf hin, dass die Änderungen der Leitlinien tatsächlich Auswirkungen auf die Behandlung von Patienten hatten“, sagt Laufs. „Allerdings bleibt der Anteil der Patienten, die im Jahr 2022 das Ziel von weniger als 55 mg/dL erreichten, nach wie vor gering, was auf einen anhaltenden Verbesserungsbedarf hinweist.“

Wie ein besseres Lipidmanagement gelingen kann
Die Wissenschaftler empfehlen eine stärkere Sensibilisierung für LDL als Risikofaktor bei allen Beteiligten. So stuften die befragten Kardiologen hohe LDL-Cholesterinwerte erst nach Rauchen und Diabetes als einen der drei wichtigsten Risikofaktoren bei der Behandlung von Patienten nach ACS ein. Außerdem sei es ratsam, frühzeitig Kombinationstherapien anzuwenden.

Ebenso sollten die behandelnden Ärzte die LDL-C-Werte in den ersten vier bis sechs Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus überwachen, um das Lipidmanagement bei Patienten nach einem akuten Koronarsyndrom zu verbessern. Wenn das Behandlungsziel nicht erreicht wurde, sollten sie die lipidsenkende Behandlung intensivieren. Im Entlassungsbrief sollte den Hausärzten empfohlen werden, die Fortschritte ihrer Patienten bei der lipidsenkenden Behandlung langfristig zu überwachen. Die Autoren weisen außerdem darauf hin, dass viele Patienten nach einem akuten Herzinfarkt von einer speziellen Herz-Reha profitieren würden. Das helfe den Patienten, sich besser an ihre Therapie zu halten und senke ihr Sterberisiko.

Originalpublikation: Laufs U, Catapano AL, De Caterina R, Schiele F, Sionis A, Zaman A, Jukema JW. The effect of the 2019 ESC/EAS dyslipidaemia guidelines on low-density lipoprotein cholesterol goal achievement in patients with acute coronary syndromes: The ACS EuroPath IV project. Vascul Pharmacol. 2023 Feb;148:107141. doi: 10.1016/j.vph.2023.107141. Epub 2023 Jan 7.

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