Statine bei Hämodialyse-Patienten: Manche profitieren doch

Winfried März, Günther Silbernagel

Es ist bewiesen, dass eine Therapie mit Statinen in der Primärprävention und in der Sekundärprävention das kardiovaskuläre Risiko reduziert (1). Bei Hämodialyse-Patienten allerdings ist dieser Zusammenhang nicht so eindeutig. So zeigte sich weder in der 4D Studie (Die Deutsche Diabetes Dialyse Studie) (2) noch in der AURORA Studie (3) durch Statin-therapie eine Reduktion des Risikos, den primären kardiovaskulären Endpunkt zu erreichen. Aufgrund dessen wird eine Therapie mit Statinen bei Hämodialyse-Patienten auch nicht generell empfohlen (4).

Die Ursachen dafür, dass Statine bei Hämodialyse-Patienten nicht so gut zu wirken scheinen, ist bisher nicht hinlänglich bekannt. Wichtig erscheint es in diesem Zusammenhang, den Cholesterinstoffwechsel bei Hämodialyse-Patienten genauer zu betrachten. Es ist allgemein bekannt, dass das Cholesterin einereseits im Körper hergestellt werden kann, andererseits aber auch aus dem Darm aufgenommen wird (5). In einer kleineren Studie konnte schliesslich gezeigt werden, dass Hämodialyse-Patienten eine anteilsmässig hohe Cholesterinaufnahmerate aus dem Darm haben (6). Nun hemmen Statine aber die körpereigene Cholesterinsynthese, hemmen die Cholesterinaufnahme aus dem Darm aber nicht (5).

Auf diese Überlegungen aufbauend haben Arbeitsgruppen um Prof. Dr. Wanner vom Universitätsklinikum Würzburg und um Prof. Dr. Winfried März, Direktor der synlab-Akademie untersucht, ob die individuelle Cholesterinaufnahmerate aus dem Darm bei Hämodialyse-Patienten das Ansprechen auf eine Therapie mit Atorvastatin beeinflusst. Zu diesem Zwecke wurde eine post-hoc Auswertung bei insgesamt 1,030 Teilnehmern der 4D-Studie durchgeführt. Die individuelle Cholesterin-Aufnahmerate wurde mit einem anerkannten Parameter, dem Verhältnis von Cholestanol zu Cholesterin im Blut, bestimmt. Anhand dieses Parameters wurde das Kollektiv in 3 Gruppen unterteilt, diejenigen mit geringer Cholesterin-Aufnahme, diejenigen mit mittlerer Cholesterin-Aufnahme, und diejenigen mit hoher Cholesterin-Aufnahme. Es konnte dann gezeigt werden, dass Hämodialyse-Patienten mit niedriger Cholesterin-Aufnahme von einer Therapie mit Atorvastatin profitieren (hazard ratio für den primären endpunkt: 0.72; p = 0.049) während das bei Patienten mit hoher Cholesterin-Aufnahme nicht der Fall ist (hazard ratio für den primären endpunkt: 1.21; p = 0.287).

Laut dem Erstautor der Studie, Dr. Günther Silbernagel vom Schweizer Herz und Gefässzentrum der Universität Bern, unterstützen die Ergebnisse der Studie das Konzept der kombinierten Lipidsenkung mit einem Statin und einem Cholesterinabsorptionshemmer (insbesondere Ezetimibe), wenn man sich für eine Lipidsenkung bei Hämodialyse-Patienten entscheidet. Mit diesem Konzept konnte auch schon in der SHARP-Studie, deren Teilnehmer zu einem beträchtlichen Anteil Hämodialyse-Patienten waren, eine kardiovaskuläre Risikoreduktion erreicht werden. Zudem wäre es denkbar, die Einleitung einer Statintherapie bei Hämodialyse-Patienten davon abhängig zu machen, ob es sich um einen Patientin mit hoher oder niedriger Cholesterin-Absorption handelt. Dies ist zum aktuellen Zeitpunkt allerdings noch nicht in grösserem Umfang möglich, da die Methoden zur Messung von Cholestanol aufwendig und noch nicht standardisiert sind.
Die Studie wurde am 02. Juni 2015 online vom Journal of the American College of Cardiology veröffentlicht.

Referenzen
1. Cholesterol Treatment Trialists‘ (CTT) Collaborators, Mihaylova B, Emberson J, Blackwell L, et al. The effects of lowering LDL cholesterol with statin therapy in people at low risk of vascular disease: meta-analysis of individual data from 27 randomised trials. Lancet 2012;380:581-90.
2. Wanner C, Krane V, März W, et al.; German Diabetes and Dialysis Study Investigators. Atorvastatin in patients with type 2 diabetes mellitus undergoing hemodialysis. N Engl J Med 2005;353:238-48.
3. Fellström BC, Jardine AG, Schmieder RE, et al.; AURORA Study Group. Rosuvastatin and cardiovascular events in patients undergoing hemodialysis. N Engl J Med 2009;360:1395-407.
4. Tonelli M, Wanner C; Kidney Disease: Improving Global Outcomes Lipid Guideline Development Work Group Members. Lipid management in chronic kidney disease: synopsis of the Kidney Disease: Improving Global Outcomes 2013 clinical practice guideline. Ann Intern Med 2014;160:182.
5. Silbernagel G, Baumgartner I, Wanner C, März W. Toward individualized cholesterol-lowering treatment in end-stage renal disease. J Ren Nutr 2014;24:65-71.
6. Rogacev KS, Pinsdorf T, Weingärtner O, et al. Cholesterol Synthesis, Cholesterol Absorption, and Mortality in Hemodialysis Patients. Clin J Am Soc Nephrol 2012;7:943-8.
7. Silbernagel G, Fauler G, Genser B, Drechsler C, Krane V, Scharnagl H, Grammer TB, Baumgartner I, Ritz E, Wanner C, März W. Intestinal cholesterol absorption, treatment with atorvastatin, and cardiovascular risk in hemodialysis patients. J Am Coll Cardiol. 2015 Jun 2;65:2291-8.
8. Baigent C, Landray MJ, Reith C, et al.; SHARP Investigators: The effects of lowering LDL cholesterol with simvastatin plus ezetimibe in patients with chronic kidney disease (Study of Heart and Renal Protection): a randomised placebo-controlled trial. Lancet 2011,377:2181-92.

Hintergrund
Die Deutschen Diabetes Dialyse (4D) Studie ist eine der nur 2 prospektiven, randomisierten, kontrollierten Studien, die die Effektivität einer Statin-therapie bei Hämodialyse-Patienten untersucht hat. Insgesamt wurden 1,255 Patienten von März 1998 bis Oktober 2002 in die Studie eingeschlossen und bis August 2004 nachverfolgt, um zukünftige kardiovaskuläre Ereignisse zu erfassen. Die Studienteilnehmer wurden entweder mit Atorvastatin 20 mg behandelt oder erhielten Placebo.

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