Dezember 2019 – Intensive internationale Anstrengungen sind dringend notwendig, um die Lp(a) Assays unterschiedlicher Anbieter zu vereinheitlichen und damit Lp(a)-Konzentrationen verlässlich bestimmen zu können. Zu diesem Schluss kommen Professor Hubert Scharnagl von der Medizinischen Universität Graz und seine Kollegen, nachdem sie sechs unterschiedliche Immunoassays zur Bestimmung der Lp(a)-Konzentration im Serum verglichen haben.
Lp(a) ist einer der am stärksten genetisch determinierten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. So ist das Risiko für eine koronare Herzerkrankung bei weißen Europäern mehr als verdoppelt, wenn die Lp(a)-Spiegel erhöht sind. Zuverlässige Methoden um Lp(a)-Werte zu messen, werden daher in der klinischen Praxis dringend benötigt. Ärzte beobachten jedoch große Unterschiede zwischen den Ergebnissen einzelner Labore. Prof. Scharnagl und Kollegen haben sechs der zurzeit in klinischen Laboren verwendeten Immunoassays zur Messung von Lp(a) systematisch miteinander verglichen. Dabei haben sie die Lp(a) Konzentration in 144 Serumproben bestimmt. Sie beobachteten wesentliche, nicht-lineare Abweichungen im klinisch relevanten Konzentrationsbereich zwischen den Ergebnissen der Lp(a) Assays.
Die Präzision der Messwerte lag dabei für alle Assays in einem akzeptablen Bereich.
Besorgniserregend ist aber, dass die gemessenen Konzentrationswerte erheblich voneinander abwichen, wenn die Wissenschaftler sie mit unterschiedlichen Assays bestimmten. Der Unterscheid zwischen zwei Tests betrug für einzelne Serumproben sogar bis zu 80 mg/dL. Die Autoren führen das hauptsächlich darauf zurück, dass die Assays unterschiedlich geeicht werden. Diese Abweichungen konnten nicht allein durch unterschiedliche Apolipoprotein(a) Phänotypen erklärt werden.
„Ziel der Studie war es nicht zu entschieden, welcher kommerzielle Lp(a)-Assay vorzuziehen ist. Unsere Beobachtungen belegen vielmehr, dass weitere intensive internationale Bemühungen zur Harmonisierung der Lp(a)-Assays erforderlich sind.“ so Scharnagl. Die Autoren fordern eine einheitliche Kalibrierung mit geeigneten Referenzstandards, damit verlässliche Methoden zur Verfügung stehen, um den Risikofaktor Lp(a) zu diagnostizieren. Zusätzliches Gewicht bekommt diese Forderung durch die Tatsache, dass bereits internationale Phase 3 klinische Studien starten, die Therapien zur effektiven Senkung der Lp(a) Werte prüfen.
Quelle: Comparison of lipoprotein (a) serum concentrations measured by six commercially available immunoassays. Scharnagl H, Stojakovic T, Dieplinger B, Dieplinger H, Erhart G, Kostner GM, Herrmann M, März W, Grammer TB. Atherosclerosis. 2019 Aug 27. pii: S0021-9150(19)31460-1.
DOI: 10.1016/j.atherosclerosis.2019.08.015
Zusatzinfo
Schwierig zu messen
Lp(a) ist ein LDL-ähnliches Lipoprotein, das über eine Disulfidbrücke mit Apolipoprotein(a) verbunden ist. Apo(a) setzt sich aus sich wiederholenden Domänen zusammen, den sogenannten Kringeln (K). Beim Menschen gibt es mehr als 30 genetisch determinierte Apo(a) Isoformen, die sich in ihrer Größe unterscheiden. Die Größe ist invers korreliert mit der Lp(a)-Konzentration im Blut und ist für rund 50 Prozent der Konzentrationsunterschiede zwischen einzelnen Menschen verantwortlich. Die Größen-Isoformen kommen durch eine unterschiedliche Anzahl von Kringel-Domänen zustande, die kleinste Isoform hat 11 solcher Kringel, die größte 54. Das Molekulargewicht der Apo(a) Phänotypen variiert deshalb und auch aufgrund von Glykolisierungen von 300 bis 800 kD.
Eines der Probleme der Quantifizierung von Lp(a) entsteht durch diesen Größen-Polymorphismus des Apo(a) Moleküls. Bei den meisten der in kommerziellen Assays eingesetzten Antikörper ist nicht bekannt, welche Epitope sie erkennen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Epitope auf den K-Domänen liegen. Deshalb kann der Größen-Polymorphismus von Apo(a) die Ergebnisse beeinträchtigen, je nach verwendetem Assay und Antikörper-Spezifität. In Menschen mit kleinen Isoformen (wenige K-Domänen) sowie hohen Konzentrationen könnte die Lp(a)-Konzentration demzufolge unterbewertet sein. Wohingegen sie bei Menschen mit großen Isoformen (viele K-Domänen) und geringen Konzentrationen überschätzt werden könnte, wenn man nur einen Referenzstandard verwendet. Dieses Problem ist schon lange bekannt und es gibt Assays die für diese falsche Bewertung anfällig sind (Isoform-sensitive Assays) und solche die dafür eher nicht anfällig sind. Übersetzt in mg/dL Konzentrationen fallen die durch diese Isoform-sensitive Messungen verursachte Bias jedoch aller meistens nicht so stark ins Gewicht. Es gibt keine Assays, die überzeugend belegen können, dass ihr verwendeter Antikörper nur ein einmalig vorkommendes Epitop erkennt.
Weitere methodische Herausforderungen ergeben sich daraus, dass Lp(a) Partikel zusätzlich in ihrer molaren Masse und dem Ausmaß der Hydratisierung variieren, unabhängig vom Apo(a) Größen-Polymorphismus. Außerdem ist die Reinigung von Lp(a) für primäre Standards schwierig und gereinigtes Lp(a) ist nicht stabil. Erschwerend kommt hinzu, dass Lp(a) gemischte Aggregate mit LDL bildet, die nicht immer vollständig aufgelöst werden können.
Obwohl angesichts dieser Probleme eine Lp(a) Standardisierungs-Arbeitsgruppe ins Leben gerufen wurde, die von der WHO und der IFCC (International Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine) unterstützt wird, die ein bestimmtes Referenzmaterial empfiehlt, werden in der klinischen Praxis immer noch Messwerte beobachtet, die je nach beauftragtem Laboren und verwendetem Assay stark voneinander abweichen.