Wie verbreitet ist die Familiäre Hypercholesterinämie?

September 2020 – Zwei Meta-Analysen kommen zu dem übereinstimmenden Ergebnis, dass die weltweite Prävalenz der Familiären Hypercholesterinämie (FH) in der allgemeinen Bevölkerung bei rund 1:300 liegt. Bei atherosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist die Rate laut beiden Studien noch wesentlich höher.

Die familiäre Hypercholesterinämie (FH) ist eine angeborene Störung des Lipidstoffwechsels. Bereits in der Kindheit ist bei FH das LDL-(low density-Lipoprotein)Cholesterin im Plasma erhöht und die koronare Herzkrankheit tritt frühzeitig auf. Zwei unabhängige Meta-Analysen haben die globale Verbreitung der heterozygoten FH in der allgemeinen Bevölkerung untersucht und unterstreichen, wie wichtig systematische Screening-Programme sind, um die Erkrankung frühzeitig zu diagnostizieren und zu behandeln. Beide Studien schätzen, dass die FH derzeit nur bei circa einem Prozent der Betroffenen erkannt wird. Die Chancen präventiver Therapien blieben so überwiegend ungenutzt.

Pengwei Hu und Co-Autoren (1) haben Daten von über 7,3 Millionen Menschen aus 62 Studien ausgewertet. Die verwendeten Studien stammten überwiegend aus Europa, dem amerikanischen Kontinent, dem östlichen Mittelmeerraum sowie dem westlichen Pazifikraum. Aus Afrika und Süd-Ost-Asien lagen keine Daten aus der Allgemeinbevölkerung vor. Die Auswertung zeigt, dass FH in verschiedenen Regionen der Welt mit einer Rate von 1:311 in der allgemeinen Bevölkerung vorkommt. Die FH gehört damit zu den häufigsten genetischen Erkrankungen. Bei Personen mit einer diagnostizierten atherosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankung ist die FH-Prävalenz der Analyse zufolge 18-mal höher (1:17).

Sabina Beheshti et. al. (2) kommen in ihrer Studie zu dem fast identischen Ergebnis, dass in der allgemeinen Bevölkerung eine von 313 Personen an einer FH leidet. Bei ischämischen Herzerkrankungen tritt die FH laut dieser Studie 10-mal häufiger, bei Patienten mit vorzeitigen ischämischen Herzerkrankungen sogar 20-mal häufiger und bei Personen mit einer schweren Hypercholesterinämie sogar 23-mal so oft auf. 104 Reviews und damit die Daten von 11 Millionen Menschen flossen in diese Analyse ein. Auch hier heben die Autoren hervor, dass es für viele Länder keine Daten zur FH-Prävalenz gibt.

Gesundheitspolitik braucht systematische Untersuchungen

Die FH wird entweder durch genetische Tests oder über unterschiedliche klinische Kriterien diagnostiziert. Der genetische Test gilt als Gold-Standard, ist aber teuer und nicht überall durchführbar. Entsprechend wurde die FH in den meisten der untersuchten Studien beider Metaanalysen anhand klinischer Kriterien diagnostiziert. Beide Studien weisen darauf hin, dass ihre abgeschätzte Prävalenz der FH mit Vorsicht betrachtet werden sollte, da in den einzelnen Studien unterschiedliche Diagnose-Methoden und -Kriterien verwendet wurden. Hingegen beobachteten Hu und Kollegen (1) keine Abweichungen zwischen traditionellen Kohorten-Studien und der Auswertung elektronischer Gesundheitsdaten. Angesichts der auch im Gesundheitsbereich zunehmenden Digitalisierung könnte dies ein pragmatischer Ansatz sein, um große Bevölkerungsgruppen ressourcen- und kostensparender zu untersuchen.

In einem Kommentar zu den beiden Studien betont die European Atherosclerosis Society (EAS), wie entscheidend das Wissen über die weltweite Prävalenz der FH für eine gut geplante Gesundheitspolitik ist. Die neuen Untersuchungen zeigten die Lücken im aktuellen Wissen über die FH-Prävalenz auf und unterstrichen die Notwendigkeit, die Kriterien der klinischen Diagnostik auf die Region zuzuschneiden, anstatt diejenigen zu übernehmen, die von westlichen, weitgehend weißen Bevölkerungsgruppen abgeleitet seien. Beides sei Voraussetzung, um politische Entscheidungsträgern anhand qualitativ hochwertiger Daten zu informieren.

Bereits 2014 hat die DACH Gesellschaft zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit CaRe-High ein Register für Patienten mit Familiärer Hypercholesterinämie in Deutschland gestartet. Übergeordnetes Ziel ist es, FH-Patienten zu identifizieren und mittels der erhobenen Daten zu Behandlung und Krankheitsverlauf ihre Versorgungssituation mittelfristig zu verbessern. Einen Überblick über FH in Deutschland, den Ablauf der CaRe High-Registerstudie und Ergebnisse der bereits eingeschlossenen Patienten bietet die aktuelle Publikation von Schmidt et. al. (3).

Quellen:

1) Hu P, Dharmayat KI, Stevens CAT, et al. Prevalence of Familial Hypercholesterolemia Among the General Population and Patients With Atherosclerotic Cardiovascular Disease: A Systematic Review and Meta-Analysis. Circulation. 2020;141(22):1742-1759. DOI:10.1161/CIRCULATIONAHA.119.044795

2) Beheshti SO, Madsen CM, Varbo A, Nordestgaard BG. Worldwide Prevalence of Familial Hypercholesterolemia: Meta-Analyses of 11 Million Subjects. J Am Coll Cardiol. 2020;75(20):2553-2566. DOI:10.1016/j.jacc.2020.03.057

3) Schmidt N, Klose G, Schatz U, Laufs U, März. Familiäre Hypercholesterinämie in Deutschland. Aktuel Kardiol 2020; 9: 363–369. doi.org/10.1055/a-1200-1404

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