Die Familiäre Hypercholesterinämie (FH) wird in Deutschland nicht ausreichend behandelt. Zwar erhält die Mehrheit der Patienten mit FH lipidsenkende Medikamente, doch die von den Leitlinien vorgegebenen Werte für das Low-Density-Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C) werden nur von maximal einem Viertel der Patienten erreicht. Das zeigt eine aktuelle Zwischenauswertung des CaRe High-Registers.
Prof. Winfried März, Leiter des CaRe High-Registers und Vorstand der DACH Gesellschaft Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen e. V. und Kollegen analysierten die Daten der ersten 1.501 in das CaRe High-Register aufgenommenen Patienten. Bei allen teilnehmenden Personen wurde eine Familiäre Hypercholesterinämie diagnostiziert und ihre Behandlung erfolgte entweder durch einen Lipidspezialisten, Allgemeinmediziner oder Internisten.
86 Prozent der untersuchten Patienten erhielten regelmäßig lipidsenkende Medikamente. Die Zielwerte für LDL-Cholesterin wurden jedoch nur von 26 Prozent (gemäß den ESC/EAS-Leitlinien für Dyslipidämie aus dem Jahr 2016) beziehungsweise von 10 Prozent erreicht, wenn die Wissenschaftler die Zielwerte der 2019 aktualisierten Leitlinien zugrunde legten.
Männer werden häufiger behandelt als Frauen
Die Wahrscheinlichkeit überhaupt behandelt zu werden, war bei Männern höher als bei Frauen, ebenso steigerten ein hoher LDL-Cholesterin-Ausgangswert, Diabetes mellitus und Bluthochdruck diese Wahrscheinlichkeit. Zudem erhielten Männer häufiger eine hochintensive Therapie mit Lipidsenkern als Frauen, also etwa eine Kombinationstherapie aus Statinen und PCSK9-Inhibitoren. Das war auch bei Patienten mit einer atherosklerotisch kardiovaskulären Erkrankung und bei Personen mit einer genetischen abgesicherten FH-Diagnose der Fall.
Gemäß den Empfehlungen der Leitlinien sei die FH in Deutschland noch immer unterbehandelt, schlussfolgern die Autoren und das Erreichen der vorgegebenen LDL-Cholesterinwerte bleibe sehr herausfordernd, besonders wenn diese Werte vor der Therapie sehr hoch waren.
Behandlung optimieren und Früherkennung fördern
„Die FH wird häufig erst erkannt und behandelt, wenn ein Herz-Kreislauf-Ereignis auftritt“, so März. „Dabei könnte eine frühzeitige und wirksame Behandlung mit lipidsenkenden Medikamenten vorzeitige Herzinfarkte verhindern.“
Das CaRE High-Register will die Diagnostik und Therapie der FH mittelfristig verbessern und standardisieren und erhebt deshalb Daten zum Verlauf der Erkrankung und zur Versorgungssituation der Patienten in Deutschland. März sagt: „Mithilfe des Registers wollen wir auch über die häufig unterschätzten Risiken der Erkrankung aufklären und ein Kaskadenscreening in betroffenen Familien durchführen, um vor allem junge FH Patienten zu identifizieren. Künftig werden wir auch noch mehr auf eine Digitalisierung des Registers und den Einbezug der teilnehmenden Patienten setzen.“
Zusatzinfo:
Die Familiäre Hypercholesterinämie (FH) ist eine genetisch bedingte Störung des Lipoproteinstoffwechsels, die von Kindheit an zu erhöhten LDL-Cholesterinwerten führt und unbehandelt ein hohes Risiko für vorzeitige atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen birgt. Schätzungen zufolge verursacht die FH bis zu 20 Prozent der Herzinfarkte vor dem 45. Lebensjahr und bis zu 5 Prozent der Herzinfarkte vor dem 60. Lebensjahr. In das Care High-Register sind derzeit rund 3300 Patienten eingeschlossen.
Originalpublikation: März W, Schmidt N, An Haack I, et al. The German CaRe high registry for familial hypercholesterolemia – Sex differences, treatment strategies, and target value attainment. Atheroscler Plus. 2023;53:6-15. Published 2023 Jun 12. doi: 10.1016/j.athplu.2023.06.001