Die Diagnoserate der familiären Hypercholesterinämie (FH) ist nach wie vor niedrig. Das Projekt „FH Alert“ wurde als innovatives Pilotprojekt durchgeführt, um zu prüfen, ob eine Warnung (Alert) an Ärzte über eine mögliche FH bei ihren Patienten zusätzliche diagnostische Aktivitäten zur Folge hat und sich so die Awareness für die Erkrankung und das ärztliche Vorgehen verändern lässt. Die Wirksamkeit des Pilotprojekts wurde untersucht und die veröffentlichten Ergebnisse stellen ein „Proof of Concept“ dar: sie zeigen, dass es mögliche und lohnende Ansatzpunkte gibt, die vom Aufwand her vertretbar sind.
Die aktuelle Studie, unter der Leitung von Prof. Winfried März, wurde von dem SYNLAB-Labor Weiden in Kooperation mit Amgen durchgeführt. Eingeschlossen waren 1.411 Ärzte (diese decken eine Bevölkerung von ca. 1,5 Millionen Menschen ab), die einen FH-Alert erhalten konnten, wenn die angeforderten Laborergebnisse ihrer Patienten bestimmte Schwellenwerte* für LDL-Cholesterin oder Gesamtcholesterin überschritten hatten. Untersucht wurden die Merkmale der beteiligten Ärzte, die Anzahl der ausgestellten Alerts, die Akzeptanz und die anschließende diagnostische Aktivität der Ärzte.
- Die beteiligten Ärzte waren hauptsächlich Allgemeinmediziner und niedergelassene Internisten in der hausärztlichen Versorgung.
- Die angeforderten Untersuchungen betrafen zu 75% den Gesamtcholesterin-Wert und zu 25 % den LDL-Cholesterin-Wert.
- Es wurden 3.512 FH-Alerts ausgestellt (ca. 5 % der Tests, ca. 32,7 % der teilnehmenden Ärzte)
- 86 % der in Frage kommenden Ärzte nahmen an allen drei Monaten dieser Initiative teil (14 % opt-out Quote).
- 101 neue Besucher auf fhscore.eu (hierbei handelt es sich um ein Diagnostik-Tool)
- 93 Kits für genetische Testung wurden verschickt, davon wurden 26 ins Labor eingesendet und 5 Patienten waren positiv für FH.
Dieses dreimonatige Pilotprojekt führte zu einer höheren Rate an Patienten, die mit (potenzieller) FH diagnostiziert wurden, im Vergleich zu früheren Screening-Projekten wie z. B. dem bekannten Kaskadenscreening in den Niederlanden. Um die Erkennung von FH in der Bevölkerung zu verbessern, ist eine weitere Aufklärung über FH in der Primärversorgung erforderlich.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Überbrückung der Schnittstelle zwischen überweisenden Ärzten und dem Labor durch einen innovativen Kommunikationsansatz technisch anspruchsvoll, aber machbar ist. Die Initiative war willkommen und wurde von den teilnehmenden Ärzten geschätzt. Obwohl die individualisierten Empfehlungen, wie sie mit FH ALERT zur Verfügung gestellt wurden, nicht durchgängig in konkrete Maßnahmen umgesetzt wurden, hat sich die Strategie als wirksamer gezeigt als das herkömmliche FH-Screening.
* Schwellenwerte:
Erwachsene:
– LDL-Cholesterin ≥ 190-250 mg/dl, Gesamtcholesterin ≥ 250 bis ≤ 310 mg/dl (vermutlicher Verdacht)
– LDL-Cholesterin ≥ 250 mg/dl, Gesamtcholesterin ≥ 310 mg/dl (starker Verdacht)
Personen unter 18 Jahre:
– LDL-Cholesterin ≥ 140 mg/dl, Gesamtcholesterin ≥ 200 mg/dl (starker Verdacht)
Quelle:
FH ALERT: efficacy of a novel approach to identify patients with familial hypercholesterolemia (Fath F. et al. Sci Rep. 2021 Oct 14;11(1):20421. doi: 10.1038/s41598-021-99961-y) LINK