Wie Herzkranzgefäße verkalken, kann sehr unterschiedlich verlaufen, selbst wenn die Patienten ähnliche Risikofaktoren aufweisen. Darüber hinaus kann auch bei einem einzelnen Patienten die Plaquebelastung in den einzelnen Koronararterien stark variieren. Warum das so ist, ist unklar. Dr. Jona Krohn vom Universitätsklinikum Heidelberg und seine Kollegen haben nun erstmals vier Verteilungsmuster von atherosklerotischen Plaques in den Herzkranzgefäßen aufgedeckt, die mit unterschiedlichen Verläufen sowie demographischen und biochemischen Parametern assoziiert sind.
Die Wissenschaftler untersuchten bei über 4.000 Patienten des Universitätsklinikums Heidelberg, wie sich die atherosklerotischen Plaques in den Herzkranzgefäßen verteilen. Ihre Ergebnisse konnten sie anschließend bei mehr als 3.000 Teilnehmern der LURIC-Studie bestätigen.
Den ersten Phänotyp mit dem höchsten Frauenanteil bilden eher junge Patienten mit diffusen Unregelmäßigkeiten in der Gefäßwand und ohne kritische Engstellen. Entsprechend war ihr kardiovaskuläres Risiko gering. Die Wissenschaftler vermuten, dass dies eine grundlegende Form der koronaren Herzerkrankung darstellen könnte, die bei jedem Menschen mit zunehmendem Alter auftritt und sich je nach den vorliegenden Herz-Kreislauf-Risikofaktoren weiterentwickelt.
Der zweite Phänotyp besteht aus Patienten mit einer hochgradigen Stenose der proximalen rechten Koronararterie. Viele von ihnen haben das metabolische Syndrom und insgesamt traten in der Gruppe die höchsten Werte an entzündlichen Biomarkern auf.
Erhöhte Troponinwerte und überwiegend in der proximalen linken anterioren absteigenden Arterie auftretende Stenosen kennzeichnen Patienten des dritten Phänotyps. Sie haben häufig ein akutes Koronarsyndrom, was auf eine Neigung zur instabilen Plaquebildung in diesen Herzkranzgefäßen hinweisen könnte. Dies steht im Einklang mit der Tatsache, dass die proximale LAD-Stenose ein prognostisch relevantes Kriterium für eine Koronarintervention oder Bypass-Operation darstellt.
Den vierten Phänotyp verzeichneten die Forscher bei den ältesten Patienten mit hochgradigen Stenosen in allen Koronararterien und dem höchsten kardiovaskulären Gesamtrisiko. Viele hatten eine ausgeprägten KHK-Familienanamnese.
Unterschiedliche Pathogenesen der KHK möglich
Sowohl die Sterblichkeit als auch die Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen waren in den phänotypischen Gruppen sehr unterschiedlich. Neben diese Varianz in der Prognose, weisen auch die demographischen und biochemischen Unterschiede daraufhin, dass es sich um mehrere Krankheitsbilder handeln könnten, die zurzeit unter dem Begriff koronare Herzerkrankung zusammengefasst werden. Dem könnten auch unterschiedliche Pathogenesen zugrunde liegen. Um die pathophysiologischen Details der koronaren Herzkrankheit besser zu verstehen und so möglicherweise neue Angriffspunkte für individualisierte präventive Therapien aufzudecken, sind noch weitere Studien notwendig.
Originalpublikation: Krohn JB, Nguyen YN, Akhavanpoor M, et al. Identification of Specific Coronary Artery Disease Phenotypes Implicating Differential Pathophysiologies. Front Cardiovasc Med. 2022;9:778206. Published 2022 Mar 10. DOI: 10.3389/fcvm.2022.778206